Ulkuskrankheit

Einleitung

Bis in die 1970er Jahre wurden chirurgische Eingriffe zur Behandlung von Magen- und Duodenalulcera häufig durchgeführt. Seit der Einführung wirksamer Medikamente zur Unterdrückung der Magensäure und der Entdeckung des Bakteriums Helicobacter pylori durch die beiden Australier Barry Marshall und John Robin Warren ging diese Form der Chirurgie drastisch zurück.

„Ohne H.P. oder Schädigung durch NSAR kein Ulcus“

– Günter J. Krejs, Graz, 2000

Sie stellt heute nur noch eine Therapiealternative bei Nichtansprechen der medikamentösen Therapie dar. Für Ihre Entdeckung und der Beschreibung der Pathomechanismen, die bei einer Helicobacter-Besiedelung die Entstehung einer Gastritis und Ulcera begünstigt, wurden sie 2005 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Das als „Schwarz’sches Dictum“ bekannt gewordene Postulat: „Ohne Säure kein Ulcus“ (Karl Schwarz, 1910) hatte lange seine Gültigkeit behalten. Heute kann man eher feststellen: „Ohne H.P. oder Schädigung durch NSAR kein Ulcus“ (Günter J. Krejs, Graz, 2000)

Ätiologie

Der wesentliche Risikofaktor für die Entstehung eines Ulcus ist die einen Besiedelung mit Helicobacter pylori. Ein Ulcus, also ein Schleimhautdefekt über die Muskularis mucosae hinaus bis in tiefere Wandschichten, entsteht durch die Dysbalance von aggressiven und schleimhautprotekiven Faktoren. Der schädigenden Wirkung der Magensäure und des Pepsins steht die sog. Mukosabarriere gegenüber, die im Wesentlichen aus der Schleimschicht besteht, die über dem Epithel des Magens liegt sowie der Sekretion von Bikarbonat. Durch die Besiedelung mit Helicobacter wird die Epithelfunktion gestört und die Barriere gegen die schädigende Wirkung der Säure bricht zusammen. Das Risiko, ein Ulcus zu entwickeln ist für Patienten mit Helicobacter bis zu 10fach höher.

H.pylori durchbricht die Schleimschicht des Magens und setzt sich auf der Oberfläche der Epithelzellen fest

H.pylori durchbricht die Schleimschicht des Magens und setzt sich auf der Oberfläche der Epithelzellen fest

Durch Spaltung von Harnstoff durch das Enzym Urease entsteht Ammoniak, welches die Salzsäure neutralisiert und das Bakterium dadurch schützt

Durch Spaltung von Harnstoff durch das Enzym Urease entsteht Ammoniak, welches die Salzsäure neutralisiert und das Bakterium dadurch schützt

Es folgt die Proliferation und Migration, was schließlich zum infektiösen Fokus führt

Es folgt die Proliferation und Migration, was schließlich zum infektiösen Fokus führt

Das Ulcus wird durch Zerstörung der Mukosa, Entzündungs und Absterben der Mukosazellen erzeugt

Das Ulcus wird durch Zerstörung der Mukosa, Entzündung und Absterben der Mukosazellen erzeugt

Dass die Ulcusentstehung aber ein multifaktorielles Geschehen ist, wird deutlich, wenn man sich die hohe Durchseuchung der Bevölkerung mit Helciobacter vor Augen führt. Die Prävalenz der Helicobacter-Besiedelung dürfte bei 30-60% liegen, die der Ulcuskrankheit aber nur bei etwa 2 %.

Die Säureproduktion in den Belegzellen des Magens wird durch Gastrin gesteurt. Dieses wird hauptsächlich in den G-Zellen des Antrum gebildet. In den Belegzellen wird über eine Protonenpumpe eine Anreichung des Magens mit H+-Ionen und Absenkung des PH-Wertes erreicht. Stimuliert werden die Belegzellen durch Gastrin und direkt durch Äste des Nervus vagus. Aber auch Histamin kann die Belegzellen zur Säureproduktion anregen.

magenresektion

Ulcus ventriculi

Typischerweise sind Magenulcera an der kleinen Kurvatur lokalisiert, am Übergang vom Korpus zum Antrum des Magens. Prinzipiell muss jeden Magenulcus histologisch abgeklärt werden und zwar durch Biopsien aus dem Ulcusgrund und dem Rand des Ulcus, da sich ein ulceriertes Magenkarzinom dahinter verbergen könnte.

Besonders verdächtig sind dabei atypisch lokalisierte Geschwüre. Nach ihrer Lokalisation lassen sich 3 verschiedene Typen nach Johnson unterscheiden. Das kleinkurvaturseitige Ulcus in loco typico (Johnson I), die Kombination von Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi (Johnson II) und präpylorische Ulcera (Johson III). Ulcera im Fundus des Magens sind sehr selten und sprechen für eine antrumartige Veränderung der dortigen Schleimhaut.

Ulcus duodeni

Im Vergleich zum Magenulcus tritt das Duodenalulcus wesentlich häufiger auf. Meist ist es im Bulbus duodeni lokalisiert, also dem Bereich unmittelbar nach dem Pylorus. Weiter distal gelegene Ulcera im Duodenum können wegweisend sein für ein Zollinger-Ellison-Syndrom.

Dabei wird durch einen Gastrin-produzierenden Tumor, der meist im Pankreas oder Duodenum lokalisiert ist, die Magensäureproduktion massiv angeregt. Kombiniert ist diese Hyperazidität mit atypisch lokalisierten Duodenalulcera. Zur Diagnostik dient neben den Standardverfahren die Bestimmung des Gastrin-Serumwertes.

Einteilung nach Johnson

Johnson1

JohnsonII

JohnsonIII

Symptomatik

Epigastrische Schmerzen sind wegweisend, beim Ulcus ventriculi verstärken sie sich im klassischen Fall nach Nahrungsaufnahme. Beim Ulcus duodeni erfahren die Patienten postprandial eine Besserung der Symptome. Eine wirkliche Zuordnung anhand der Symptome ist allerdings auf Grund der geringen Spezifität nicht möglich.

Diagnostik

Die diagnostische Methode der Wahl ist die Endoskopie. Mit ihr gelingt nicht nur eine sichere Lokalisation des Ulcus, es lassen sich auch Probebiopsien zur histologischen Auswertung und zur Helicobacter-Diagnostik entnehmen. Beim Magenulcus sollten immer mehrere Biopsien sowohl aus dem Grund als auch aus dem Rand des Ulcus entnommen werden, um eine repräsentative Aussage über die Dignität des Geschwürs treffen zu können. Duodenalulcera sind nur in ganz selteten Fällen maligne entartet und in einem hohen Prozentsatz mit einer HP-Besiedelung vergesellschaftet. Biopsien werden in aller Regel nur bei sehr großen, sog. duodenalen Riesenulcera entnommen.

Der Nachweis von Helicobacter gelingt sowohl unter dem Mikroskop, wo es sich als säurefestes Stäbchen zeigt, als auch in einem für den klinischen Einsatz sehr praktischen Schnelltest. Dieser basiert auf der Fähigkeit des Bakteriums, mit dem Enzym Urease Harnstoff zu spalten. Ein an den Harnstoff gekoppelter Indikatorfarbstoff sorgt innerhalb kurzer Zeit für einen Farbumschlag, wenn Urease vorhanden ist. Somit lässt sich bereits nach einer Stunde ohne großen apparativen Aufwand eine zuverlässige Aussage über die HP-Besiedelung treffen.

postprandial

Peptisches Ulkus

Peptisches Ulkus

NSAR-Ulcus

NSAR-Ulcus

Forrest-1a-Blutung

Forrest-1a-Blutung

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung vom Albertinen-Krankenhaus in Hamburg
Forrest-1b-Blutung

Forrest-1b-Blutung

Forrest-2a-Blutung

Forrest-2a-Blutung

Forrest-2b-Blutung

Forrest-2b-Blutung

Therapie

Bei der Therapie unterscheiden sich Ulcus ventriculi und Ulcus duodeni ganz wesentlich. Beiden gemeinsam ist, dass die Behandlung in erster Linie konservativ durchgeführt wird. Mit den Protonenpumpeninhibitoren und H2-Antagonisten stehen wirkungsvolle Medikamente zur Verfügung, um die Säureproduktion durch die Belegzellen zu verringern. Beim Versagen der konservativen Therapie oder bei Komplikationen wie therapierefraktäre Ulkusblutungen oder Perforationen besteht die Indikation zur Operation.

Die Eradikationsbehandlung zur Therapie des Helicobacter-Befalls besteht aus einer Kombinationstherapie mit Protonenpumpeninhibitoren und Antibiotika. Beim Französischen Tripple-Schema wird Pantozol mit Amoxicillin und Clarithromycin kombiniert, beim italienischen wird statt Amoxicillin Metronidazol verwendet. Diese Therapie wird über einen Zeitraum von 7 Tagen durchgeführt, nach einigen Wochen sollte der Befund kontrolliert werden.

Das gelingt alternativ zur Endoskopie auch mit einem speziellen Atemtest, allerdings lassen sich so natürlich makroskopische oder histologische Veränderungen nicht beurteilen, so dass eine Kontrollgastroskopie meist unerlässlich ist.

Therapie – Ulcus ventriculi

Beim Magengeschwür kann auch der Malignomverdacht Anlass für eine Operation sein. Wenn trotz unauffälliger Histologie, adäquater Säureblockierung und HP-Eradikation keine Abheilungstendenz gesehen wird, muss dennoch der Verdacht geäußert werden, dass es sich um ein Malignom handelt. Das Prinzip der Ulcuschirurgie des Magens ist daher eine Magenteilresektion und histologische Abklärung des Ulcus. Je nach Lokalisation werden limitierte Resektion im Sinne einer 1/3-, 2/3- oder subtoalen Resektion durchgeführt. Dadurch wird nicht nur das Ulcus an sich entfernt, sondern auch die Säureproduktion deutlich vermindert, indem die Mehrzahl der Belegzellen mit dem Antrum entfernt werden und der Rest des Magens teilweise denerviert wird, was den stimulierenden Einfluss des Nervus vagus vermindert. Im Antrum wird auch das Gastrin produziert, so dass dieser Faktor ebenfalls vermindert wird.

Bei der Rekonstruktion gibt es die Möglichkeit, die Duodenalpassage zu erhalten oder auszuschalten. Es werden die Operationstypen Billroth I und Billroth II unterschieden. Bei der Billroth-I Operation wird eine Gastroduodenostomie durchgeführt, die Nahrungspassage bleibt bis auf den fehlenden Antrumanteil mit Pylorus unverändert. Bei der Billroth-II-Operation wird das Duodenum blind verschlossen, die Rekonstruktion der Nahrungspassge wird über eine Gastrojejunostomie erreicht. Dabei gibt es die Möglichkeit, eine Schlinge des Dünndarms seitlich anzunähen und am Fußpunkt dieser Schlinge eine Kurzschlussverbindung zwischen den Schenkeln zu schaffen. Diese Braun’sche Fußpunktanastomose verhindert den Reflux von Galle in den Magen. Alternativ kann die Rekonstruktion nach Y-Roux erfolgen, wobei die biliopankreatische Schlinge seitlich in die vom Magen kommende alimentäre Schlinge eingenäht wird.

Bei einer notfallmäßigen Operation wegen eines perforierten oder therapierefraktär blutenden Magenulcus ist es ausreichend, das Ulcus mit Sicherheitsabstand zu exzidieren und histologisch zu untersuchen. Die Magenteilresektion ist Patienten vorbehalten, bei denen die konservative Therapie nicht adäquat anspricht.

Freie abdominelle Luft in Linksseitenlage

Freie abdominelle Luft in Linksseitenlage

Therapie – Ulcus duodeni

Beim Duodenalulcus liegen Ursache und Manifestationsort der Erkrankung auseinander. Ausserdem sind konkordante Malignome äußerst selten und Duodenalresektionen mit einer höheren Morbidität verbunden. Daher ist die operative Therapie der Wahl beim Ulcus duodeni eine partielle Denervierung des Magens. Bei der selektiv proximalen oder proximal-gastrischen Vagotomie werden selektiv die Vagusfasern durchtrennt, die zu den säureproduzierenden Magenanteilen ziehen. Die für die Magenentleerung wichtigen motorischen Fasern zum Magenantrum werden dabei erhalten

Bei einer Notfall-Operation wegen einer Perforation oder therapierefraktären Blutung wird eine Duodenotomie durchgeführt und das versorgende Gefäß umstochen. Insbesondere bei hinterwandseitig gelegenen Ulcera muss dabei die Anatomie berücksichtigt werden und die Tatsache, dass im Stromgebiet der A. gastroduodenalis und der A. mesenterica superior Anastomosen bestehen, die es notwendig machen, das zuführende Gefäß zu beiden Seiten des Ulcus zu umstechen. Andernfalls besteht ein hohes Risiko einer Rezidivblutung. Bei Operationen nahe am Pylorus sollte immer eine Pyloroplastik, also eine Erweiterung des Pylorus durchgeführt werden, da sonst Magenentleerungsstörungen drohen.

FAL

Freie abdominelle Luft

Resektionsausmaß Billroth I

Resektionsausmaß Billroth I

Resektionsausmaß Billroth II

Resektionsausmaß Billroth II

Rekonstruktion nach Billroth I-OP

Rekonstruktion nach Billroth I-OP

Rekonstruktion nach Billroth II-OP – Y-Roux

Rekonstruktion nach Billroth II-OP – Y-Roux

Rekonstruktion nach Billroth II-OP – Omega-Loop

Rekonstruktion nach Billroth II-OP – Omega-Loop

Postoperative Probleme

Dumping

Durch die Entfernung des Pylorus bzw. durch die teilweise Denervierung des Magens wird die Magenentleerung verändert. Eine beschleunigte Passage der Nahrung ins Intestinum kann zum sog. Dumping-Syndrom führen. Dabei wird eine Früh- und Spätform unterschieden. Das Frühdumping wird durch den raschen Eintritt von hyperosmolaren Bestandteilen in den Dünndarm verursacht. Entsprechend dem ostmotischen Gradienten strömt Flüssigkeit aus dem Plasma ins Intestinum. Dies führt neben Durchfällen und krampfartigen Schmerzen zu Kreislaufaffektionen, Schwindel und Schweißausbrüchen. Das Spätdumping bezeichnet eine reaktive Hyperglykämie, die mit rapidem Abfall des Blutzuckerspiegels einhergeht. Dies tritt meist 60-90 min postprandial auf.

Magenstumpfkarzinom

Eine häufige Folge nach Magenteilresektion ist eine atrophische Gastritis, die 5-10 Jahre nach der Operation auftritt. Dies kann die Entwicklung eines Magenstumpfkarzinoms begünstigen

Malnutrition, Malabsorption, Anämie

Verändertes Hungergefühl und verkleinertes Magenvolumen führen zu einer verminderten Nahrungsaufnahme. Durch die rekonstruktionsbedingten Veränderungen kann die Resorption zusätzlich gestört sein. Durch das Fehlen oder die Reduktion des Intrinsic Factors, der in den Belegzellen des Magens produziert wird, kann Vitamin B12 im terminalen Ileum nicht mehr ausreichend aufgenommen werden, die Folge ist eine makrozytäre hyperchrome Anämie.

Syndrom der zu- oder abführenden Schlinge

Eine Stenosierung der zuführenden Schlinge bewirkt eine Retention von Galle, die sich schwallartig in den Magen entleeren kann und dann zu galligem Erbrechen führt. Dadurch erfahren die Patienten sofort eine Besserung der krampfartigen rechtsseitigen Oberabauchschmerzen. Man sprich auch vom „afferent loop“-Syndrom. Beim „efferent loop“-Syndrom der abführenden Schlinge bewirkt die Stenose eine Retention der Speise im Magen, das wiederum zum Erbrechen führen kann.

Magenkarzinom

GERD