Einleitung
Die chirurgisch bedeutsamste und häufigste Motilitätsstörung des Ösophagus ist die Achalasie. Der Begriff leitet sich vom griechischen Wort chalasis = Nachlassen ab.
Die Unfähigkeit des unteren Ösophagussphinkters, in geordneter Weise zu relaxieren und die ankommende Peristaltikwelle des unbewusst ablaufenden Schluckaktes durchzulassen, charakterisiert diese Erkrankung.
'chalasis' - griechisch: "nachlassen"
Pathophysiologie & Pathogenese
Pathophysiologisch liegt eine Degeneration der autonomen Nervenplexus vor, was eine funktionelle Denervierung der Ösophagusmuskulatur zur Folge hat. Die Achalasie tritt mit einer Inzidenz von 05-10/100.000 Einwohner meistens zwischen dem 20. Und 40. Lebensjahr auf, was eine erworbene Genese vermuten lässt.
Der Ausschluss einer malignen Grunderkrankung gehört immer zur Differentialdiagnose einer Dysphagie
Der erhöhte Tonus des unteren Ösophagussphinkters und dessen inkomplette Erschlaffung führen in der Folge zu einer Dilatation des tubulären Ösophagus. Dies gibt der Achalasie das charakteristische Aussehen in der Röntgen-Kontrastmitteldarstellung. Von der primär idiopathischen Achalasie sind sekundäre Formen oder die Pseudoachalasie abzugrenzen, bei der z.B. ein Kardia- oder Ösophaguskarzinom für die Dysphagie und die morphologischen Veränderungen der Speiseröhre verantwortlich ist. Der Ausschluss einer malignen Grunderkrankung gehört immer zur Differentialdiagnose einer Dysphagie, neben der obligaten Endoskopie kann dies auch eine CT notwendig machen.
Symptomatik
Die Patienten, die unter einer Achalasie leiden, berichten, über Dysphagie, meistens eher für flüssige Speisen (paradoxe Dysphagie). Des weiteren werden Regurgitationen von unverdauten Nahrungsbestandteilen beschrieben. Der anamnestische Hinweis auf nicht-sauren Inhalt kann auf eine Achalasie hindeuten. Retrosternale Schmerzen im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme – aber auch unabhängig davon – sind Ausdruck der gestörten Motiliät und eines Spasmus der Muskulatur.
Unbehandelt schreitet die Achalasie mit zunehmender Dilatation des Ösophagus fort, die z.T. groteske Formen annehmen kann. Darüber hinaus besteht die Gefahr der Aspiration, der Staseösophagitis und in bis zu 20% der Fälle der Entwicklung eines sekundären Karzinoms.
Diagnostik
Das klassische Bild einer Sektglas- oder Sanduhrform zeigt sich in der Durchleuchtung bei der Kontrastmittelschluckuntersuchung. Hier kann auch das Ausmaß der Dilatation gut beurteilt werden. Spiegelbildungen im Ösophagus weisen auf eine Stase hin. Die Endoskopie hilft, eine sekundäre Ursache, wie z.B. ein Karzinom, auszuschließen.
Darüber hinaus lässt sich die Stenose und die umgebende Schleimhaut beurteilen und nötigenfalls biopsieren. Eine zusätzliche Endosonografie kann hilfreich sein, um Stenosen differentialdiagnostisch abzuklären. Meist gelingt dies jedoch erst nach der Dilatation der Stenose. Die Manometrie kann die gestörte Motilität des Ösophagus in Form simultaner Kontraktionen bei der hypermotilen Form der Achalasie darstellen. Gleichzeitig wird die Relaxierungsstörung des unteren Ösophagussphinkters dokumentiert.
Der normale Schluckakt wird bewusst eingeleitet und läuft dann in Form einer nach aboral laufenden Peristaltikwelle unwillkürlich weiter ab. Dabei kontrahieren sich die verschiedenen Abschnitte der Speiseröhre nacheinander von oben nach unten. Die Manometrie wird über eine dünne nasogastrale Sonde durchgeführt, die auf verschiedenen Höhen Druckaufnehmerpunkte hat. Die fortlaufende Peristaltikwelle verursacht dabei zeitlich gestaffelte Druckwellen, die in der Aufzeichnung nacheinander dargestellt werden. Bei der hypermotilen Form der Achalasie kommt es zu tertiären Kontraktionen der Speiseröhre, bei der sie sich auf der ganzen Länge simultan kontrahiert. Diese simultanen Kontraktionen lassen sich in der Manometrie sehr gut darstellen, sie bilden den klassischen Manometriebefund der Achalasie.
Therapie
Das Ziel der Therapie einer Achalasie ist die Senkung des erhöhten Tonus des unteren Ösophagussphinkters und die Beseitigung der Relaxierungsstörung, die letztlich zur Obstruktion der Speiseröhre führt. Zur Behandlung stehen verschiedene Modalitäten zur Verfügung. Die medikamentöse Therapie setzt auf die Relaxierung der glatten Muskulatur durch Wirkstoffe wie z.B. Nitrate oder Calciumantagonisten. Die Erfolgsraten sind aber eher schlecht, daher ist die Option weitgehend verlassen worden. Interventionell endoskopisch lässt sich die Achalasie wirkungsvoll durch eine Botulinusinjektion in den Bereich des unteren Ösophagussphinkters behandeln. Das Botulinustoxin blockiert dabei die motorische Endplatte der myenteritschen Neurone. Dies führt in 60-80% der Fälle zu einer symptomatischen Besserung. Allerdings ist der Effekt vorübergehend, so dass meistens eine erneute Behandlung notwendig wird.
Ein anderer Ansatz ist die pneumatische Dilatation. Dabei wird mittels Gastroskopie ein Ballonkatheter in den Bereich des gastroösophagealen Übergangs vorgeschoben und der Sphinkter mit einer definierten Druckmenge gesprengt. Das dabei bestehende Perforationsrisiko beträgt etwa 1-3%. Oftmals ist eine zweite Dilatation erforderlich. 80-95% der Patienten erfahren durch diese Maßnahme eine Besserung.
Operativ kann die Muskulatur im Bereich des unteren Ösophagussphinkters gespalten werden, so dass nur ein dünner Mukosaschlauch am gastroösophagealen Übergang verbleibt. Dies birgt natürlich auch die Gefahr einer Perforation, besonders nach vorausgegangenen pneumatischen Dilatationen, da es durch die Sprengung des Muskulatur zu Vernarbungen und Verklebungen kommt, die ein schichtgerechtes Päparieren erschweren.1 Durch die Zerstörung des unteren Ösophagussphinkters kommt es natürlich auch zu Reflux von Magensäure in die Speiseröhre. Um dies zu verhindern und um die Myotomiestelle abzudecken, wird zusätzlich zur Myotomie eine Fundoplastik durchgeführt, bei der der Defekt durch eine Fundusmanschette überdeckt wird. Dieser Eingriff wird Myotomie nach HELLER genannt kombiniert mit einer anterioren Fundoplasitk nach DOR/THAL. Er wird heute meist laparoskopische mit einer niedrigen Morbiditäsrate durchgeführt.
Medikamente
Relaxierende Wirkstoffe
z.B. Nitrate & Calciumantagonisten
Endoskopie
Botox-Injektion
Pneumatische Dilatation
Chirurgische Therapie
Laparoskopische Myotomie nach Heller
Perorale endoskopische Myotomie (POEM)
Therapiestrategie
Eine Meatanalyse aus dem Jahre 2009 zeigte bei einer Gesamtzahl von 7855 Patienten, dass die laparoskopische Myotomie kombiniert mit einer Fundplicatio die effektivste und sicherste Methode und somit das Verfahren der Wahl ist, weil sie eine bessere Symptomkontrolle als die endoskopischen Verfahren bietet (90% vs. 68%), eine niedrige Komplikationsrate (3,6%) aufweist und wenig postoperativen Reflux erzeugt, wenn eine Fundoplicatio durchgeführt wird.2
Eine andere, 2011 im New England Journal of Medicine erschienene Studie kommt beim Vergleich der pneumatischen Dilatation und der Myotomie nach HELLER zum Ergebnis, die Verfahren seien gleichwertig hinsichtlich der Erfolgs- und Komplikationsrate.3
Allerdings ist der Zeitraum der Studie nur auf 1-2 Jahresergebnisse begrenzt, ein Vergleich im Langzeitverlauf, der ja für die zumeist jungen Patienten entscheidend ist, kann so eigentlich nicht angestellt werden. Zum anderen wurden in der initialen Phase der Studie 31 Patienten ausgeschlossen, die bei der Dilatationsbehandlung eine Perforation des Ösophagus erlitten hatten. Das verzerrt natürlich das Bild zu Gunsten der Dilatationsbehandlung. Auch andere Details wie die Länge der operativen Myotomie sowie die Wertung intraoperativer Mukosaläsionen, die sofort versorgt wurden und für den Patienten folgenlos ausheilten, in der Studie aber mit den Ösophagusperforationen der Dilatationsbehandlung gleichgestellt wurden. Ob man unter diesem Apsekt von gleichwertigen Therapieverfahren sprechen kann, ist fraglich. Welche Therapie sollte also welchem Patienten empfohlen werden? Da insbesondere junge Patienten häufig ein Rezidiv nach pneumatischer Dilatation erleiden, sollte hier primär eine Operation empfohlen werden.
Ältere Patienten und Patienten mit erhöhtem Risikoprofil sollten zunächst eine pneumatische Dilatation erhalten und erst bei Therapieversagen nach der 2. oder 3. Dilatation einer Operation zugeführt werden. Bei Hochrisikopatienten kann der Versuch einer Therapie mit Botulinustoxin unternommen werden.
Perorale endoskopische Myotomie
Ein relativ neues Verfahren kombiniert die Vorteile der interventionellen Therapie mit denen der Operation. Bei der peroralen endoskopischen Myotomie (POEM) wird mittels Endoskop von transoral die Mucosa eröffnet und ein submuköser Präparationstunnel geschaffen. Über diesen erfolg dann die endoskopische Myotomie analog zum Verfahren nach Heller. Der einzige Unterschied ist, dass man von der Seite der Speiseröhre her operiert und nicht von intraabdominell. Der entstandenen Defekt in der Mukosa wird anschließend mit endoskopischen Clips versorgt.
Literatur
[raw]
- Endoscopic therapy for achalasia before Heller myotomy results in worse outcomes than heller myotomy alone.Ann Surg. 2006 May;243(5):579-84; discussion 584-6.Smith CD, Stival A, Howell DL, Swafford V.
- Endoscopic and surgical treatments for achalasia: a systematic review and meta-analysis.Ann Surg. 2009 Jan;249(1):45-57.Campos GM, Vittinghoff E, Rabl C, Takata M, Gadenstätter M, Lin F, Ciovica R.
- Pneumatic Dilation versus Laparoscopic Heller’s Myotomy for Idiopathic AchalasiaJ Neurogastroenterol Motil. 2011 Jul;17(3):324-6. doi: 10.5056/jnm.2011.17.3.324. Epub 2011 Jul 14.Wu JC1.