Klassifikationen
AO Klassifikation
Die „Arbeitsgemeinschaft Osteosynthesefragen“ versucht eine systematische und standartisierte Einteilung der Frakturen. Anhand eines Zahlen- und Buchstabencodes kann die genaue Lokalisation sowie der Schweregrad der Fraktur eingeteilt werden.
4. Stelle: Gruppe
5. Stelle: Untergruppe
A: Einfache Fraktur
C: Komplexe Fraktur
B: Keilfraktur
Bei Gelenkfrakturen
A3: extraartikuläre Fraktur
metaphysär mehrfragmentär
B1: partiell artikuläre Fraktur
lateral sagittal
C1: komplett artikuläre Fraktur
artikulär einfach, metaphysär einfach
Klassifikationen von offenen Frakturen nach Gustillo und Anderson
Grad 1: Durchtrennung der Haut mit fehlender oder geringer Weichteilkontusion, als gering erachtete bakterielle Kontamination, Fragmentdurchspießung der Weichteildecke von innen
Grad 2: Eröffnung des Weichteilmantels von außen durch direkte Gewalteinwirkung mit umschriebener Haut- und Weichteilkontusionen, als mittelschwer erachtete Kontamination
Grad 3a: ausgedehnte Weichteildestruktionen, starke Wundverschmutzung und länger bestehende Wundkontamination, Schussfrakturen
Grad 3b: freiliegender Knochen, Deperiostierung, Knochenhaut abgelöst, komplexe Frakturformen, massive Wundverschmutzung: immer sekundär lappenpflichtig
Grad 3c: rekonstruktionspflichtige Gefäßverletzung, totale und subtotale Amputationen
Klassifikation der Frakturen der Wachstumsfuge
- Salter-Harris I = Aitken 0: Epiphysiolyse ohne Begleitfraktur
- Salter-Harris II = Aitken I: Partielle Epiphysiolyse mit Absprengung eines metaphysären Elements. Mit etwa 75% der Fälle häufigster Typ.
- Salter-Harris III = Aitken II: Partielle Epiphysiolyse mit Epiphysenfraktur.
- Salter-Harris IV = Aitken III: Fraktur durch Epi- und Metaphyse.
- Salter-Harris V = Aitken IV: Kompressionsfraktur mit radiologisch sichtbarer axialer Stauchung der Epiphysenfuge
Frakturheilung
Physiologie und Pathophysiologie der Frakturheilung
Die beiden entscheidenden Faktoren für die Knochenbruchheilung sind die ausreichende Durchblutung des Knochens und die Stabilität im Frakturbereich. Nach einer Fraktur (ausgenommen Ermüdungsbruch und pathologische Fraktur) entsteht durch die Blutung ein Hämatom, das sogenannte Frakturhämatom. Dieses enthält hämatopoetische Zellen die Wachstumsfaktoren sezernieren und eine Entzündungskaskade in Gang setzen. Im weiteren Verlauf wandern Fibroblasten, mesenchymale Vorläuferzellen und Osteoprogenitorzellen in den Frakturbereich ein und das Hämatom wird durch Granulationsgewebe ersetzt. Durch Mineralisation des gebildeten Granulationsgewebe (weicher Kallus) entsteht ein deutlich geringer belastbarer Geflechtknochen (harter Kallus). Der im weiteren Verlauf im Rahmen des sogenannten Remodelings in Lamellenknochen umgewandelt wird. Diese Art der Knochenheilung wird als sekundäre Knochenheilung bezeichnet. Erreicht man nun durch eine Osteosynthese eine fugenlose, stabile Adaption der Frakturenden kann auch eine direkte Knochenheilung des Frakturspaltes stattfinden. Hierbei bildet sich kein äußerer Kallus, da die Osteone bei sehr guter Adaption des Frakturspaltes (kleiner als 300 Mikrometer) von den Frakturenden aufeinander zuwachsen und wieder fusionieren. Dies wird als primäre Knochenheilung oder Kontaktheilung bezeichnet.
Phasen der sekundären Knochenheilung
- Entzündungsphase 1 bis 3 Tage
- Granulationsphase drei Wochen
- Kallushärtung drei bis vier Monate
- Modeling und Remodeling Monate bis Jahre
Die Frakturheilung kann durch verschiedene Faktoren gestört werden. Ist es nach sechs Monaten zu keiner Vereinigung der Frakturen gekommen spricht man von einer Pseudarthrose. Die Entstehung einer Pseudarthrose kann sowohl mechanische als auch biologische Ursachen haben.
Biologische Faktoren
- Patientenalter
- Durchblutungsstörungen
- Gefäßverletzung
- Infektion
- Komorbiditäten
- Weichteilmantel über der Fraktur
- Ausmaß des Knochenverlustes
Mechanische Faktoren
- Stabilität der Osteosynthese
- Anatomische Lokalisation
- Hochenergietrauma
Je nach Ursache der ausbleibenden Knochenheilung kann sich ein spezifisches Muster der Pseudarthrose ausbilden. So kommt es bei unzureichender Stabilität typischerweise zur Ausbildung einer hypertrophen Pseudarthrose bei Kompromittierung der Biologie z.b. bei Störung der lokalen Durchblutung zur Ausbildung einer atrophen Pseudarthrose.
Insbesondere bei offenen Frakturen und Frakturen infolge von Hochrasanztrauma mit ausgeprägter Gewebeschädigung besteht ein hohes Risiko für eine Infektion. Diese kann je nach ursächlichem Keim subakut (low-grad Infekt) und chronisch verlaufen und ebenfalls zu Ausbleiben der Knochenheilung führen. Man spricht von einer Infektpseudarthrose.
Grundprinzipien der Frakturversorgung
Implantate
Die Grundanforderungen die an Osteosynthesematerial gestellt werden sind:
Gewährleistung einer ausreichenden Stabilität bis zum Zeitpunkt der Frakturdurchbauung, dazu gehören Eigenschaften wie Bruchfestigkeit, Elastizität und Beständigkeit
Erhalt der Durchblutung der Fraktur
Biokompatibilität, d.h. hohe Verträglichkeit ohne überschießende Immunreaktion oder allergische Reaktion
Materialien in der Unfallchirurgie
Die Auswahl der Materialien in der Orthopädie und Unfallchirurgie richtet sich nach der Biokompatibilität am Anwendungsort, diese wird bestimmt durch die Korrosion, die Abriebfestigkeit und die Nicht -Toxizität der Korrosion- und Abriebprodukte.
Stahl
Stahl weist im Vergleich zum Titan eine höhere Steifigkeit auf und hat damit eine erhöhte Gefahr bei hohen Belastungen zu brechen.
Titan
Titan besitzt eine hohe Biokompatibilität, d.h. die Implantate weisen eine hohe Verträglichkeit ohne Schädigung des Gesamtorganismus auf. Titan ist spröder als Stahl und korridiert nicht. Implantate oder Endoprothesen mit Titan-Oxidschicht ermöglichen eine Osseointegration (Anwachsen des Implantates).
PMMA Polymethylmethacrylat
Dieses Polymer wird umgangssprachlich auch als Knochenzement (aus dem Englischen „bone cement“) bezeichnet. Er dient der Verankerung von Implantaten oder Endoprothesen, kann aber auch zur temporären Füllung von Hohlräumen, z.b. nach Tumorresektion in oder nach Behandlung einer Osteomyelitis verwendet werden. Durch die Beimischung von Antibiotika kann eine lokal Infektprophylaxe oder Keimreduktion bei manifester Infektion erfolgen. Bei der Applikation von Knochenzement kann es zu Blutdruckabfällen und bei großen Applikationsdrücken zur Induktion von Lungenembolien kommen.
Polyethylen
Polyethylen findet Verwendung in den gewichtsbelasteten Komponenten von Knie und Hüftendoprothesen (z.B. dem sogenannten Inlay oder der Pfanne)
Durch γ-Bestrahlung kann die Stabilität von Polyethylen Komponenten deutlich erhöht werden da es hier zu einer Vergrößerung der Querverbindung innerhalb der Polymere kommt. (Sog. Ultra high molecular weight polyethylene (UHMWPE)
Implantate
Platten
Die Plattenosteosynthese ist dein Standardverfahren in der Unfallchirurgie und ermöglicht durch Kompression zwischen Platte und Knochen eine stabile Verbindung. Platten sind lasttragende Implantate und ermöglichen je nach Design die Applikation einer interfragmentären Kompression durch die Einführung des winkelstabilen Prinzips: die Schrauben werden sowohl im Knochen als auch in der Platte (Gewinde im Schraubenkopf) platziert. Dadurch wird die Stabilität nicht durch den Anpressdruck der Platte auf den Knochen, sondern durch das Implantat selbst erzielt. Dies führt zu einer geringeren Störung der periostale in Zirkulation und zu einer Erhöhung der Ausreißkraft. Mittlerweile gibt es anatomisch vor-konturierte, polyaxial winkelstabile Systeme, die je nach Lokalisation eine minimal-invasive perkutane Operationstechnik erlauben und somit zu einem geringeren Weichteilschaden führen.
DCP dynamic compression plate
Winkelstabile Schraube
Häufig verwendete Plattentypen
- DCP dynamic compression plate
- Lc-dcp Limited contact dynamic compression plate
- LCP locking compression plate
- NCB non contact bridging plate
- LISS less invasive stabilization system
- Kirschnerdrahtosteosynthese
- Zuggurtungsosteosynthese
- Fixateur externe
- Intramedulläre Kraftträger, Nägel
Fixateur externe
Intramedullärer Kraftträger
Fragen zur Lernkontrolle
In welchen Phasen läuft die sekundäre Knochenheilung ab?
Phasen der sekundären Knochenheilung
Entzündungsphase 1 bis 3 Tage
Granulationsphase drei Wochen
Kallushärtung drei bis vier Monate
Modeling und Remodeling Monate bis Jahre
Welcher Frakturtyp ist hier dargestellt?
Klassifikation der Frakturen der Wachstumsfuge
Salter-Harris III = Aitken II: Partielle Epiphysiolyse mit Epiphysenfraktur.
Was versteht man unter einer Pseudoarthrose?
Gestörte Frakturheilung
Die Frakturheilung kann durch verschiedene Faktoren gestört werden. Ist es nach sechs Monaten zu keiner Vereinigung der Frakturen gekommen spricht man von einer Pseudarthrose. Die Entstehung einer Pseudarthrose kann sowohl mechanische als auch biologische Ursachen haben. (s.o.)
Welches sind die Grundanforderungen an Osteosynthesematerial?
Die Grundanforderungen die an Osteosynthesematerial gestellt werden sind:
Gewährleistung einer ausreichenden Stabilität bis zum Zeitpunkt der Frakturdurchbauung, dazu gehören Eigenschaften wie Bruchfestigkeit, Elastizität und Beständigkeit
Erhalt der Durchblutung der Fraktur
Biokompatibilität, das heißt hohe Verträglichkeit ohne überschießende Immunreaktion oder allergische Reaktion