Bauchaortenaneurysma

Bauchaortenaneurysma

Als Aneurysma bezeichnet man die Erweiterung eines Blutgefäßes über das Doppelte seines Durchmessers hinaus.

In Abgrenzung zu den sogenannten „falschen“ Aneurysmen wie zum Beipiel dem Aneurysma spurium, einem stetig perfundierten Extravasat / Hämatom, wie es als Komplikation im Rahmen einer (perkutanen) Punktion der Femoralarterie nach einer Herzkatheterintervention auftreten kann, liegt bei den „echten“ Aneurysmen eine Erweiterung aller Wandschichten des Blutgefäßes vor.

Ab einer Erweiterung auf über 30mm Durchmesser spricht man in Bezug auf die Bauchaorta von einem Aneurysma.

Ca. 85% aller Aneurysmen der Aorta abdominalis sind infrarenal, d.h. unterhalb der Abgänge der Nierenarterien, lokalisiert.

Als Haupt-Risikofaktoren für die Entstehung eines Bauchaortenaneurysmas gelten das männliche Geschlecht, ein fortgeschrittenes Lebensalter, Nikotinabusus und eine familiäre Disposition. Assoziiert ist die Erkrankung mit der arteriellen Hypertonie, der koronaren Herzerkrankung und der pAVK.

Diagnostik

Für Männer über 65 Jahre wird die einmalige Ultraschall-Screeninguntersuchung auf Vorliegen eines Aneurysmas empfohlen. Aneurysmen zwischen 3 und 4cm sollten nach 12 Monaten, Aneurysmen zwischen 4 und 4,5cm nach 6 Monaten sonographisch kontrolliert werden. Ab einem Durchmesser von 4,5cm empfiehlt sich die Durchführung einer CT-Angiographie der Aorten-/Becken- und Beinstrombahn, die bei Aneurysmen bis 5cm jährlich wiederholt werden sollte.

 

In ca. 10% der Fälle finden sich zudem gleichzeitige Aneurysmen der Iliacalgefäße, in ca. 25% der Fälle Aneurysmen der Arteriae popliteae.

Der überwiegende Anteil der Aneurysmen der Bauchaorta ist asymptomatisch und wird als Zufallsbefund entdeckt, der Anteil rupturierter BAAs (rBAAs) beträgt in Deutschland ca. 10%.

Als Symptome können Schmerzen in Abdomen, Flanke und Rücken auftreten. Eine Kompromittierung von Nachbarorganen wie der Niere ist möglich und kann sich zum Beipiel in Harnverhalt und Harnstau äußern.

Zeichen der Ruptur sind der plötzliche, anhaltende stärkste (Bauch-)Schmerz mit Ausstrahlung in Rücken und (linke) Flanke (in ca. 90% gedeckte Ruptur in die linke Nierenloge) mit Blutungsstigmata (Hb- und Hk-Abfall, Anämie) bis hin zum Vernichtungsschmerz und hämorrhagischen Schock.

CT-Bilder rupturierten Aortenaneurysmas

Therapie

Ab einem Durchmesser von 5-5,5cm und einer jährlichen Wachstumsrate >5mm wird aktuell die Indikation zur Ausschaltung asymptomatischer, intakter Bauchaortenaneurysmata (iAAA) gesehen. Liegt das jährliche Rupturrisiko bei Aneurysmen unter 5cm Durchmesser noch bei ca. 3%, so steigt es bei zunehmendem Durchmesser exponentiell an: von ca. 10% (Aneurysmata 5-5,9cm) auf >60% (Aneurysmata > 7cm). Bei Frauen gelten bereits kleinere Aneurysmadurchmesser schon als versorgungswürdig (4,5-5cm). Bei gleichem Gefäßdurchmesser haben Frauen eine ca. 3fach erhöhte Rupturrate (Skibba AA et al J Vasc Surg 62(6): 1429-1436).

Einen weiteren Einfluss auf die Indikationsstellung hat ferner auch die Aneurysmamorphologie (exzentrisch vs. konzentrisch, sacciform vs. fusiform).

Der überwiegende Anteil der asymptomatischen, intakten Bauchaortenaneurysmen (iAAA) wird aktuell „endovaskulär“ versorgt (ca. 79% im Jahre 2015, Registerbericht DIGG der DGG: 3767/4768 Aneurysmen).

Bei der endovaskulären Versorgung, „EVAR“ genannt, erfolgt die innere Ausschaltung des Bauchaortenaneurysmas über einen zumeist transfemoral beidseits eingebrachten aortalen „Stentgraft“. Dabei handelt es sich um eine vorgefertigte Gefäß-Prothese aus einem ummantelten Drahtgeflecht (Geflecht zumeist aus Nitinol, einer Nickel-Titanlegierung, Ummantelung aus PTFE (Polytetrafluorethylen), das, auf einem Trägersystem vorgeladen, endovasculär in die infrarenale Aorta eingebracht, dort entfaltet und mit einem kontralateralen „Beinchen“ zu dem y-förmigen Stentgraft verbunden wird. Die Intervention erfolgt unter angiographischer Kontrolle, bestenfalls in einem „Hybrid-Operationsaal“ oder einer „Angiosuite“.

Aortenaneurysma

Aortenaneurysma

Voraussetzungen für eine endovasculäre Aneurysmaausschaltung (EVAR) sind bestimmte Aneurysma-Konfigurationen: ein Durchmesser im Aneurysma-Hals <32mm, eine Länge des Aneurysma-Halses von >10-15mm, die Abwesenheit einer (perirenalen) Thrombosierung der Aorta, ein Aortenhalswinkel <60° und Landungszonen für den Stent iliacal >30mm Länge mit Iliacaldurchmesser <25mm.

Mittlerweile wurde die Indikationstellung zur EVAR auch auf komplexe Aneurysmakonstellationen ausgeweitet. So besteht aktuell ein breites „Armamentarium“ an Prothesenmaterial um auch „unfreundliche“ Konfigurationen, sog. „hostile neck configurations“ (fehlender Aneurysmahals, starke Angulation oder perirenale Thrombosierung) endovaskulär / interventionell zu versorgen.

Dabei spielt insbesondere die Versorgung der in das Aneurysma einbezogenen Renoviszeralarterien eine Rolle. Diese können z.B. durch zusätzliche Stents versorgt werden, welche schlotartig nach proximal ausgeleitet werden. Dadurch wird eine künstliche proximale Landungszone geschaffen, die somit auch die endovasculäre Versorgung peri/iuxtarenaler Aortenaneurysmen erlaubt (Chimney EVAR - ChEVAR). Sogenannte gefensterte Prothesen (Fenestrated EVAR – fEVAR) bieten Aussparungen für die Renoviszeralarterien, gebranchte Prothesen haben integrierte Seitenarme, mit denen die Zielgefäße versorgt werden.

Unverzichtbare Voraussetzung für eine endovasculäre Versorgung ist eine suffiziente Prothesenplanung. Nach Durchführung einer Dünnschicht-CT-Angiographie (Schichtdicke 1mm) von Aorta, Becken- und Beinstrombahn kann die Prothese mithilfe spezieller Messprogramme berechnet und/oder erstellt werden.

Komplikationen der EVAR sind innere Leckagen mit persistenter Aneurysmasackperfusion (Endoleaks), Stentdislokationen, renoviszerale Malperfusions- und Postimplantationsyndrome (SIRS im Rahmen der Aneurysmaausschaltung und Hämatombildung mit Fieber).

Insbesondere im perioperativen und früh-postoperativen Verlauf zeigen sich für die endovasculäre Versorgung ein besseres Outcome im Hinblick auf die Krankenhausletalität und die postoperative Komplikationsrate im Vergleich zur offenen Operation. Diese Unterschiede nivellieren sich jedoch im Langzeitverlauf nach einem Jahr.

Die offene Versorgung eines intakten Bauchaortenaneurysmas erfolgt über die Implantation von Rohr- oder Y-förmigen Dacron/Polyester Prothesen. Der Zugang kann dabei als mediane oder quere Laparotomie oder direkt retroperitoneal erfolgen. Nach Ausklemmen der Bauchaorta wird die Tube- oder Y-förmige Prothese eingenäht.

Das rupturierte Bauchaortenaneurysma stellt eine absolute Notfallindikation dar, zu seiner Versorgung stehen prinzipiell beide Therapieverfahren zur Verfügung (offen und endovasculär).

Es ist bis dato kein Überlebensvorteil für ein spezielles Verfahren belegt. Die Art der Versorgung bleibt dem jeweiligen Zentrum und der Expertise des Operateurs vorbehalten.

Erlaubt die Hämodynamik noch die Durchführung einer CT-Angiographie kann diese zur Diagnosestellung und Therapieplanung notfallmäßig vor Operation durchgeführt werden. Der hämodynamisch instabile Patient muss unmittelbar der operativen Versorgung zugeführt werden, ohne Verzögerung durch ein CT.

Eine Möglichkeit stellen auch Ballon-/Okkluderkatheter dar, die notfallmäßig transfemoral oder offen in die Aorta proximal der Aneurysmaruptur eingebracht werden, das Gefäß okkludieren und den Patienten stabilisieren (sog. „Endoclamping“), sie können in Kombination mit beiden Therapieverfahren eingesetzt werden. Sie können im Schockraumsetting eingebracht werden.

Die notfallmäßige offene Versorgung erfolgt zumeist über eine Medianlaparotomie. Nach Ausklemmen der Aorta wird die Ruptur zumeist mit einer Rohrprothese versorgt.

Mit der Intubation/Relaxation sollte wenn möglich bis nach der Desinfektion der Bauchdecke gewartet werden, da die erschlaffende Bauchdeckenspannung eine freie Perforation in die Bauchhöhle provozieren kann. Gleiches gilt für den Blutdruck, hier werden RR-Werte bis 50-60mm Hg (mittlerer arterieller Druck) zugelassen: sog. „Permissive Hypotonie“.

Ca. 50% der rupturierten BAAs können endovasculär versorgt werden und stehen in ihrer Konfiguration für eine Standardprothese zur Verfügung. Ein großer Vorteil ist, dass die Prozedur prinzipiell auch in Lokalanästhesie durchgeführt werden kann. Im Notfall kann die Versorgung auch aorto-monoiliacal erfolgen und das nicht perfundierte Bein mit einem femoro-femoralen Crossoverbypass versorgt werden.